Die Insel Djerba, international vor allem als touristischer Standort bekannt, liegt im Osten Tunesiens und ist mit einer Fläche von 514km² die größte Insel des Landes. Die rund 160 700 Einwohner verteilen sich auf die drei Kommunen Houmt Souk, Midoun und Ajim. Das im Norden gelegene Houmt Souk wird als Hauptstadt der Insel betrachtet. Midoun im süd-östlichen Teil wurde mit den Jahren zur Hotelhochburg und ist somit geprägt von riesigen Anlagen entlang der Küste, die vor allem all-inclusive Touristen aus Deutschland und Großbritannien anziehen. Die im Westen gelegene Gemeinde Ajim war ursprünglich durch ihre Töpferei bekannt. Heute ist Ajim jedoch lediglich Ankunftsort der Fähre vom Festland und im Vergleich zu seinen Nachbarkommunen ökonomisch und sozial abgehängt.
Die Haupteinnahmequellen der Inselbevölkerung sind zum Einen das transferierte Einkommen der im Ausland lebenden Djerbi und zum Anderen der Tourismus. Jährlich kommen ungefähr eine Millionen Besucher auf Djerba, die sich auf die 180 Hotels der Insel verteilen. Diese wiederum sind zu fast 70% in der Kommune Midoun und zu über 20% in Houmt Souk gelegen. In Ajim befindet sich demnach eine minimale Anzahl von Hotels, was zur Folge hat, dass die Bewohner dieser Kommune nicht von den Inselbesuchern profitieren. Doch nicht nur dieser wirtschaftliche Aspekt, der mit einer ungleichen finanziellen Verteilung innerhalb der Insel gleichzusetzen ist, stellt ein Problem zwischen den Kommunen dar. Ein weiterer Konflikt, der allerdings mit dem zuvor genannten Problem in Verbindung steht, liegt in der Müllsituation.
Seit dem Jahr 2012 gibt es auf Djerba im Grunde keine vernünftige Mülldeponie, was zu einer sichtbar verschlechterten Müllsituation geführt hat. Die kontrollierte Abfallanlage wurde im Jahr 2007 nahe des Ortes Guellala in Ajim errichtet und in Betrieb genommen. Bereits ein Jahr später gab es verschiedene Beschwerden von Seiten der Bevölkerung über die Deponie.
Schließlich begannen während der Revolution 2011 Proteste und Forderungen bezüglich der Deponie und ihres Betriebes in Guellala. Die Anwohner beklagten sich vorwiegend über Geruch und Krankheiten, weshalb sie einen neuen Standort forderten und bis dieser gefunden würde, wurde eine Verbesserung der technischen Gegebenheiten der Anlage verlangt. Auf Grund heftiger Proteste wurde die Anlage letztlich im Oktober 2012 geschlossen. Nach einer fast zweijährigen Stilllegung der einzigen kontrollierten Mülldeponie auf Djerba sollte sie im Juli 2014 wiedereröffnet werden. Erneute Proteste führten zu erheblichen Schäden an der Deponie, deren Höhe auf drei Millionen Tunesische Dinar geschätzt wird.
Zusammenfassend darf vermutet werden, dass die lokalen Akteure nicht in ausreichendem Maße an Planung und Durchführung der abfalltechnischen Anlagen beteiligt waren. Im Ergebnis ist Djerba seit beinahe drei Jahren mit einem Abfallsystem konfrontiert, das die lokalen Anforderungen nicht abbildet und wirtschaftliche Potentiale ungenutzt lässt. Die Kommunen Ajim und Midoun haben mit der Wiederinbetriebnahme der alten bereits stillgelegten Deponien eine provisorische und temporäre Notlösung gefunden. In Houmt Souk gibt es seit Ende 2014 ebenfalls eine provisorische Deponie. Allerdings wird deren Kapazität nicht lange ausreichen. Die neueste Entwicklung auf der Insel seit Mai dieses Jahres ist die Installation einer Maschine, die den vorhandenen Müll zu Ballen zusammenpresst und verpackt. Dabei sollen circa 150 Tonnen an Abfall täglich verarbeitet werden. Die geschätzten Kosten der Maschine betragen 2,6 Millionen Tunesische Dinar. Es soll sich um eine Übergangslösung handeln, um zumindest kurzfristig den sichtbaren Müll verschwinden zu lassen und gleichzeitig durch die Komprimierung des Abfalls Platz einzusparen. Allerdings gibt es viele Gegenstimmen zu diesem Projekt. Es erscheint weder ökonomisch nachhaltig, noch kann das Zusammenpressen von unsortiertem und unbehandeltem Abfall als effektive Abfallwirtschaft betrachtet werden. Hinzukommt die Gefahr von chemischen Reaktionen innerhalb der „Müllballen“, durch die möglicherweise giftige Flüssigkeiten entstehen und ins Grundwasser fließen können. Die Vertretbarkeit dieses Projekt scheint fraglich und eine wahre Lösung der Müllproblematik auf Djerba noch immer nicht gefunden zu sein.
Die Einbeziehung lokaler Akteure, insbesondere bei Planung und Standortsuche, könnte die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen. Eventuelle Benachteiligungen von Bevölkerungsgruppen könnten hierdurch reduziert werden und gegebenenfalls Geschäftsmodelle und einkommensschaffende Aktivitäten identifiziert werden. Innovative Ansätze zu Mülltrennung und Recycling, dezentrale Biogas- oder Kompostieranlagen könnten das Müllaufkommen tatsächlich verringern und damit Kosten für die Kommunen senken und gleichzeitig Einkommen für private Unternehmen schaffen. Nutznießer wären u.a. die lokalen Wirtschaftszweige, darunter die Tourismusindustrie und ihre Beschäftigten.
Für die aktuelle Situation auf Djerba wäre eine zukunftsnahe und auf Langfristigkeit ausgerichtete Lösung wünschenswert, die eine breite politische und gesellschaftliche Zustimmung findet, technisch und wirtschaftlich vertretbar ist und die sozio-ökonomischen Bedürfnisse der Bevölkerung abbildet. Eine strukturierte Kommunikation und die Beteiligung lokaler Gruppen und Interessenverbände könnte die Entwicklung nachhaltiger Lösungsansätze unterstützen.
Bayern International wird im Juli 2016 ein "Bayern - Fit for Partnership"-Projekt mit Tunesien zum Thema Abfallwirtschaft anbieten. Interessierte bayerische Unternehmen erhalten <link veranstaltungen-messen/abfallwirtschaft-fuer-tunesien-2016/ - external-link-new-window>hier </link>weitere Informationen.
Autor:
Dr. Makram Ben Hamida
AHK Tunesien
E-Mail: m.benhamida@ahktunis.org